Freitag, 2. Oktober 2009

Art Modeste

Ein neuer Begriff schwappt gerade aus Frankreich zu uns herüber: die Art Modeste. Zu dieser "bescheidenen" Kunst bekennen sich bereits zahlreiche Künstler und Sonderlinge aus Frankreich, Latein- und Südamerika, sowie aus Afrika. Was kennzeichnet nun diese neue Bewegung? Ich würde sie in deutsch vielleicht eher als "Neue Naive" bezeichnen. Denn zumeist handelt es sich um Künstler, die ihre Arbeiten nicht unter der Prämisse "ich mache nun Kunst", sondern vielmehr aus einem inneren Zwang oder Sammeltrieb begannen. Bescheiden sind die Arbeiten in dem Sinne, dass die Künstler ihren Namen gar nicht nennen oder wenigstens die Artefakte deutlich in den Vordergrund stellen. In Mexiko beispielsweise gibt es einen Votivmaler, der Auftragsarbeiten ausführt, die aber auch mal Themen wie Homosexualität oder Wrestlingkämpfe visualisieren. Andere mischen lateinamerikanische Fabelwesen mit Doodles oder Comicfiguren aus dem Fernsehen um ihren religiösen Vorstellungen Ausdruck zu verleihen.In Frankreich sind es häufig Sammler, die zur Art Modeste kommen. Da ist der junge Computerfan, der sich für die Grafik alter Computerspiele begeistert und diese in präzisen Filzstiftzeichnungen nachmalt. Eine Oma die zeitlebens Elvis Presley in allen denkbaren Materialien abbildet, mal als Tafelbild, als Keramik oder auch als Installation. Ein Kinofreund, der in seiner kleinen Wohnung von hunderten lebensgroß-naiv abgebildeten Filmschauspielern auf Pappe umgeben ist und mit ihnen eigene Produktionen dreht. Sein Studio heißt Paravision. Völlig unbedarft gibt er die Bedeutung für "Para-" als Kürzel für Paradies an, ohne sich der treffenden Doppeldeutigkeit des neugeschöpften Wortes bewusst zu sein.

Afrikanische Künstler der Art Modeste visualisieren in ihren Arbeiten gerne unerfüllte Wunschträume. So zum Beispiel nach heimatsprachigen Filmen, die ein ghanaischer Künstler in hunderten von Plakaten einfach selbst erfindet.Der Guru der Bewegung ist der französische Künstler Hervé Di Rosa, der auch Initiator des Musée International des Arts Modestes ist. Schützenhilfe bekommt diese Stilblüte auch von dem brillianten Philosphen Bernard Stiegler. Aktuell ist auf Arte eine Dokumentation zu sehen, auf der viele der Künstler vorgestellt werden: Kitsch, Kommerz und Kunst.

André Debus

Keine Kommentare: