Samstag, 26. Dezember 2009

Bühne Grandhotel

Es schneit und schneit! Heute oder morgen werde ich einmal auf den Hügel steigen: Gerhard Richter!

Verstohlen betrachte ich in der gediegenen, etwas plüschigen Hotelhalle die zwei übermalten Fotos von Richter, getrau mich nicht, das eine näher unter die Lupe zu nehmen, weil ein lesender Herr davor sitzt. Mein Mann will das Handy zücken und sie fotografieren, aber ich getrau mich wieder nicht. Die Atmosphäre macht Eindruck. Einen Hodler können wir in der schönen Bar auch noch identifizieren, und die Segantinis in der Bündnerstube sind wohl eher seine Schüler. Der Raum ist in Fels eingelassen, durch die schönen alten Fenster sieht man fast unwirklich beleuchtet das Schneetreiben in den Lärchen.Wer betritt den Raum? Unverkennbar Jonathan Meese freundlich lächelnd, sehr sympathisch, richtiggehend Hof haltend, da eine Begrüssung, dort ein Kellner, der ihn ehrerbietig kennt. Lederjoppe, lange Haare, Bart. Er lässt sich in der Bar nieder, umringt von feinen blondierten Damen mit hohen Absätzen. Zwischendurch umarmt er einen jüngeren Mann (Typ Sohn mit den Eltern hier), der an einem Tisch Businesspläne verhandelt. M. scheint hier die Wichtigen und Einflussreichen gut zu kennen. Ist er der verrückte Künstler, der als Dorfklatsch die Runde macht, weil er im Badezimmer des Hotels malt?

Jetzt hab ich noch in Wikipedia nachgeschaut, wer ihn denn kuratiert hat? Der Obrist war's. Die Formel: Waldhaus Sils = Anziehungspunkt der Kunst, der Literatur und des Theaters und der Musik. Seit Anbeginn vor hundert Jahren in Familienbesitz, sorgfältig bewahrt, mit Enthusiasmus und viel Kulturinteresse geführt, thront das Hotel Waldhaus stolz auf einem Hügel über meiner Lieblingslandschaft. Zum Jubiläum wurde eine Theaterproduktion mit Christoph Marthaler auf die Beine gestellt, und ein Tag der offenen Türe machte es allen möglich, auch ins verborgene Innere des grossen, ehrwürdigen Hauses zu schauen. Leider bin ich etwas scheu und kenne die Wichtigen nicht, lese zu wenig Klatschillustrierten, sonst könnte ich nochmals einen Tee dort trinken und mich als Promijournalistin bewerben, was aber überhaupt nicht im Sinne des diskreten und weltoffenen Hauses wäre, dessen Angestellte die Begeisterung mit Stolz mittragen. Noch selten habe ich Kellner so vollendet servieren gesehen.

Elisabeth Eberle

3 Kommentare:

T/ART hat gesagt…

Thanks for posting E!
Have a wonderful time you all!
T&NOK

Christoph Braun hat gesagt…

Du bist in Sils-Maria, Elisabeth? Seit der Marthaler-Produktion möchte ich unbedingt das Waldhaus sehen. Grüße aus Evessen

CharLi hat gesagt…

Tut DAS gut: "kenne die Wichtigen nicht, lese zu wenig Klatschillustrierte".
Exakt: Da findest du Begleitmaterial.
Bin nämlich seit Jahren von Meese-Devotees umgeben, die mich von seiner malerischen Qualität überzeugen wollen. Und mir will er sich ums ... also jedenfalls: Seine Malerei und verbalen Absonderungen wollen sich mir nicht erschließen, trotz mehrteiliger YouTube-Orgien (nö, den Link such ich jetzt nich - wat nich mut dat mut nich).
Jedenfalls deine Vermutung, sich Messy - äh: Meese - via Regenbogenpresse aneigenen zu müssen, trifft zu.