Freitag, 16. Dezember 2011

Cai Wagner. Eine Galerie finden.

Mein erster Gedanke, als ich diesen Titel sah: „Oho, wieder ein Buch für Hobbyisten die sich auf diesem Wege in den Kunstmarkt einzubringen hoffen. Für 16,80 €? Ein wenig teuer. Hmmja – ist ja auch nicht für Kunststudenten. Schließlich werden mit diesem Buchtitel große Träume bedient. Und da der Markt hier dünn besät ist, wird Herr Wagner sicherlich gutes Geld mit dem Ding machen. Ein prima Schachzug.“

Zumindest im ersten Teil habe ich mich gründlich geirrt. Wie aber sollte ich auch darauf kommen, dass Herr Wagner schwerpunktmäßig, ja eigentlich ausschließlich professionell arbeitende Künstler mit Hochschulabschluss anspricht? Ist es doch in seriösen Kreisen unüblich zu sagen dass ein Künstler eine Galerie findet, wo doch eigentlich Galerien die Künstler finden sollten.

Tja, und dann finde ich eine Besprechung von Thomas Wulffen, kriege eine Empfehlung von einer taffen Kollegin und finde eine weitere Rezension in der elitären Monopol. Also kaufe ich mir das Buch doch, obwohl ich eigentlich wenig Interesse habe eine zweistellige Summe in ein Schreibstück diesen Themas zu investieren.

Tatsächlich ist das Buch aufgebaut, wie ein klassisches Weiterbildungsseminar für Selbstständige in der Marktwirtschaft: 1. Wie nehme ich eine gute Selbsteinschätzung vor? Wo stehe ich am Kunstmarkt? 2. Die Suche nach einer Galerie. Welche passt überhaupt zu mir? 3. Die klassischen Fettnäpfchen bei der Kontaktaufnahme. Was geht gar nicht? 4. Die richtige Kontaktaufnahme bis hin zum persönlichen Gespräch im Atelier. 5. Alternative Selbstvermarktungskonzepte.

Die inhaltlich schlüssig ausgeführten Herangehensweisen werden flankiert von einer netten Geschichte mit überraschenden Wendungen aus Herrn Wagners Galerie, die er seit über zehn Jahren in Berlin führt. Zum Schluss kommen ein paar Zahlen vom Kunstmarkt, die mich überrascht haben, obwohl ich eigentlich einen guten Einblick in das Thema habe.

Alles in allem ist dieses Buch gut lesbar. Inhaltlich fundiert. Herr Wagner macht den vertrauenswürdigen Eindruck eines echten Insiders. Und die These, dass Künstler, die sich eine Galerie wünschen, auf diese auch aktiv zugehen sollen, halte ich für begründet. Oft ist es nämlich so, dass die „Lieblingsgalerie“ schlichtweg nie etwas vom betreffenden Interessenten erfahren würde, wenn dieser denn nicht irgendwann mal einen Katalog einsendet.

Kritik am Buch gibt’s auch: Eine wesentliche Möglichkeit für Künstler in Kontakt mit Galerien zu kommen wird nur in Nebensätzen abgehandelt. Meiner Meinung nach ist sie jedoch die effizientere. Nämlich die Teilnahme an Wettbewerben. Gewinnt man, steht man sowieso im Fokus. Hier gibt Herr Wagner auch gute Handlungsanweisungen. Aber man muss nicht immer gewinnen. Ich bin persönlich schon mehrfach von Jurymitgliedern nach Sitzungen auf nationaler und internationaler Ebene kontaktiert worden, ohne was gewonnen zu haben. Die ganze Palette allgemeiner Marktpräsenz macht wohl letztendlich den erfolgreichen Künstler. Man hätte durchaus noch mehr darauf eingehen können, wie eine professionelle Bewerbungsmappe aussieht oder wie man Kontakte auch zu Kuratoren, Jurymitgliedern und öffentlichen Entscheidungsträgern aufbaut.

Fazit: Professionell arbeitende Künstler mit Hochschulabschluss, die sich eine Galeriezusammenarbeit wünschen, sollten diese 16,80 € investieren.

Cai Wagner, Eine Galerie finden, Jovis, ISBN 9783868591316



Prolog: Herrn Wagners These gründet auf der Vorstellung dass ein Künstler ohne galeristische Vertretung nur in wenigen Ausnahmefällen existieren kann. Hier täuschen auch ein wenig die Zahlen am Schluss des Buches. Tatsächlich nähren sich die Verdienstangaben bei der KSK aus Einkünften die Künstler durch Auftragsarbeiten, Unterrichtshonorare oder jedwede Dienstleistungen erzielen, die teils in krude Zusammenhänge mit freier künstlerischer Tätigkeit gebracht werden. Lieber sollte man dazu übergehen, Jobs zu enttabuisieren. Dann würden nur noch sehr wenige Künstler übrigbleiben, die tatsächlich von ihrer Arbeit leben. Tatsächlich kann man aber als Künstler ganz gut leben, wenn man dazu bereit ist, sich seine finanzielle Rückendeckung dazuzuverdienen (Unterricht, Auftragsarbeiten, Kellnern et cetera). Ein anderer Umgang mit diesem Thema, würde so manchem deprimiertem Künstler helfen, sein inneres Gleichgewicht wieder zu finden.

André Debus

1 Kommentar:

©scherl hat gesagt…

"auf diese auch aktiv zugehen" kann ich allerdings bestätigen.