Dienstag, 2. März 2010

Kritik der Kritik: Nachschlag

Jeder von uns kennt es: wir stehen staunend in einer erklärungsbedürftigen Ausstellung und greifen schließlich zum Begleitheft, um zu erfahren wofür wir eigentlich unser Eintrittsgeld angelegt haben. Dort stoßen wir dann auf postdadaistische Phrasen aus esoterisch klingenden Satzungetümen. Ein Beispiel: „Die Bilder wollen es dem Transponieren ins Wort schwer machen. Die Bilder sind pure Malerei und wollen nichts anderes sein. Allein die Farbe trägt das Bild. Sie organisiert eine abstrakte Komposition, die ganz für sich gesehen werden will. Aber das Bild ist nicht frei von gegensätzlichen Assoziationen, z.B. an Landschaften, und will auch das nicht sein.“ Kein Witz - dass ist nicht von mir, dass hat wirklich jemand geschrieben und womöglich sogar ernst gemeint. Oder ein anderes Beispiel: „Das Analytische tritt auf im Gewand des Vorläufigen und beatmet die Vorlage durch ihre ständigen Zweifel.“ Nach Konsumieren solcher Texte sind wir so klug als wie zuvor. Doch alles wird besser.

Die offizielle Kunstkritik hat – ich bediene mich hier mal der Sedlmeyrschen Ausdrucksweise – wohl bemerkt dass sie ihre Mitte verloren hat und kuriert diesen pathologischen Befund mit verzückten Erlebnisschilderungen. So zum Beispiel in einem Text, der von der Kunsthalle Baden-Baden (!) herausgegeben wurde: „Still perlt die Oos die Lichtenthaler Allee entlang. Oos – das lässt sich auch als der vervielfältigte Buchstabe O verstehen: eine gekringelte, vielfach verschlungene Linie. Aus diesen Os, letztlich aus dem Bach, formte Olaf Metzel zwei geflochtene Fußmatten, kaum zu unterscheiden von Abtretern vor der Wohnungstür. Nun liegen sie da, als Bronze zum festen Bild geformt, vor der Kunsthalle und am Ufer der Oos.“ In diesem Beispiel versuchte man nicht den fehlenden Inhalt des Kunstwerkes durch Verschleierung zu kompensieren, sondern man gab ihm die kunstkritische Weihe durch einen pseudolyrischen Aufsatz.

Kurios auch der offizielle Text zu Liam Gillicks Einbauküche im Deutschen Pavillon der Biennale in Venedig. Hier ein Auszug: „Liam Gillick hat sein tägliches Arbeitsumfeld – seine Küche, die er als improvisiertes Studio nutzt – in den Deutschen Pavillon übertragen. Nach monatelangem Arbeiten in seiner eigenen Küche, umschlichen von der Katze seines Sohnes, beschäftigte er sich mit den Fragen „Wer spricht? Wer spricht mit wem und mit welcher Berechtigung?”, während die Katze stets versuchte, seine Arbeit zu unterbrechen.“ Offensichtlich will man uns hier mitteilen, dass Liam Gillick monatelang in seiner Küche saß um auf eine Idee zu kommen wie er den Deutschen Pavillon bespielen soll. Und dass ihn die Katze seines Sohnes dabei ständig gestört hat. Dass deckt sich auch mit Aussagen die Gillick selber in Interviews gegeben hat. Wünschen wir uns aber eine Kunstkritik in der wir uns für den Künstler fremdschämen müssen? Weil der nämlich keine Eingebung hatte und man uns dies nun zwischen den Zeilen mitteilen muss?

Die Frage ist, wo liegt eigentlich die Ursache für diese Dissonanzen zwischen Kunstwerk und –betrachter? Bei Liam Gillick ist es wohl ein Strukturproblem: er ist ja ein prima Künstler, keine Frage. Also hat man ihn rechtzeitig angesprochen und ihn eingeladen was für den deutschen Pavillon auf der Biennale zu machen. Nun aber ist aufgetreten was nicht soll, eine Blockade. Ihm fällt nichts ein. Und dann wird’s peinlich, man kann ihn ja nicht kurz vor Ultimo einfach durch jemand anderen ersetzen. Also lässt man halt im Text durchklingen dass man nicht ganz so zufrieden ist, um sich als Kurator und Finanzier einigermaßen von der Sache zu distanzieren. Würde man eine Ausschreibung machen um den Pavillon zu bespielen, hätte man im Vornherein die Möglichkeit die Qualität mit zu beeinflussen. In vielen anderen Fällen handelt es sich einfach um eine denkbar miese Mimese zwischen Kunst und Kunstkritik. Künstler machen irgendeinen Mist und es findet sich ein Kunstkritiker der Phrasen dazu drischt und beide finden damit ihr Einkommen. Auf solche Kunstkritik kann ich gerne verzichten.

André Debus

P.S. Mir ist neulich aufgefallen dass die Überschrift von einem Text Thomas Wulffens zum gleichen Thema geklaut ist. Tut mir leid. War nicht böse gemeint.

P.P.S. Wer sich an blödsinnigen Phrasen zur Kunst ergötzt findet hier eine unterhaltsame Sammlung.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

als kommentar zum kommentar passt ja eventuell das hier gar nicht so schlecht:

http://www.floriankuhlmann.com/projekte/ein-starkes-duo/

André Debus hat gesagt…

Gefällt mir :-). Wenn wir bei marktbezogenen Kunstwerken sind, weise ich gerne auch noch mal auf den Post zu Rudolf Reiber hin - tja, dass sind so die Ideen wo man sich ärgert, dass man sie nicht selber hatte...